Meine Begegnung mit Robert B. Parker

von Thomas Cerveny.

Sommer 2006. Ich hatte gerade mein Studium abgeschlossen und wollte mir eine kleine Auszeit gönnen, ehe der Ernst der Berufsalltags auf mich zukommen würde. Mein guter Freund Alexander, der 15 Jahre älter als ich und ein Jahr zuvor in die USA übersiedelt war, lud mich in seine neueHeimat ein. Ein Angebot, das ich ohne zu zögern annahm. Kurz darauf saß ich in einem Flieger nach San Francisco.
Alexanders Bude lag zwar nur am Stadtrand und zwar ziemlich klein, aber sein. Er hatte seinen Traum, in die Staaten auszuwandern, bereits wahr gemacht, während ich meinen, vom Schreiben leben zu können, noch nicht wirklich ernst nehmen konnte. „Das ist doch bloß ein Hobby“, hatte ich mir oft anhören müssen, wenn ich das Thema Autor als Beruf vor meiner Familie aufs Tapet brachte. Dass davon in Österreich doch keiner leben könne, wurde mir gesagt und, ich solle bei dem bleiben, was ich studiert hatte. Das bot mir die Chance auf ein gutes, sicheres Einkommen statt von der Hand in den Mund leben zu müssen.
Alexander gehörte zu den wenigen, die mir Mut machten. Und er wollte mir gleich am zweiten Tag meines Aufenthalts einen Ort der Inspiration zeigen. Einen ganz besonderen Strand, der an einer steilen Klippe lag und von dem aus man einen herrlichen Blick auf die Golden Gate Bridge genießen konnte. Gleich nachdem wir uns am Fisherman‘s Wharf eine Muschelsuppe in Brotteig, von der seine Nachbarin schwärmte, einverleibt hatten. Zu meinem Leibgericht wurde sie nicht, doch die Atmosphäre am Pier 39 wird mir ewig in Erinnerung bleiben. Am Ufer herrschte genauso
buntes Treiben wie auf den vielen Flößen im Wasser, auf denen sich unzählige Seelöwen sonnten. Sie räkelten sich, grunzten genussvoll und schissen alles voll. Der Gestank hielt sich aber in Grenzen, da der Ozean ständig frische, salzige Brisen gegen das Ufer blies.
Als wir am Wasser entlang zurück zum Parkplatz gingen, ereilte Alexander der dringende Ruf der Natur. Er fand ein Lokal, dessen Lokus er benutzten durfte, während ich draußen wartete und mir Gegend und Leute besah. Einer darunter kam mir irgendwie bekannt vor. Ein großer, älterer Mann von stattlicher Erscheinung. Mit Oberlippenbart. Er trug ein dunkles Hemd und schlenderte auf mich zu. Ich grübelte … an wen erinnerte er mich?
Erst als er an mir vorbei war, fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Das war Robert B. Parker, der weltbekannte Autor und Schöpfer von Privatdetektiv Spenser und dem so versoffenen wie cleveren Jesse Stone. Ohne nachzudenken, rief ich ihm nach: „Mr. Parker?“ Es war ein Reflex, ich dachte gar nicht darüber nach, es zu tun. Hätte ich, wäre ich wahrscheinlich stumm geblieben. Er blieb stehen, drehte sich nach mir um und bejahte. Obwohl ich ziemlich nervös war, ging ich auf ihn zu und stellte mich vor. Als großen Fan aus Österreich, der seinen harten, direkten Schreibstil schätzt. Er lächelte, bedankte sich und wollte, wissen, was ich in den Staaten tat. Ich wusste, dass mir nicht viel Zeit mit ihm bleiben würde, also lenkte ich das Gespräch schnell auf meine eigene
Schreiberei und erzählte ihm von meinem ersten Krimi, an dem ich gerade arbeitete. Ihm schien zu gefallen, dass ich auch schrieb und er bestärkte mich in meinem Schaffen. Sein Englisch zu verstehen fiel mir dabei wesentlich leichter, als meine Gedanken in Worte zu fassen. Aber er verstand, worauf ich hinaus wollte, als ich die Schwierigkeit ansprach, als Autor Fuß zu fassen. Sein wichtigster Rat dabei an mich: Dranbleiben. Wenn das Talent vorhanden ist, so Parker, stellt sich
der Erfolg früher oder später ein. Schließlich hatte es auch bei ihm viele Jahre gedauert, bis er vom Schreiben leben konnte.
Das Gespräch dauerte zwar nur wenige Minuten, aber es hat mein Leben nachhaltig verändert. An diesem Tag setzte ich mir das Ziel, eines Tages hauptberuflicher Autor zu sein.
Als ich mich von Robert Parker verabschiedet hatte, kam Alexander auf mich zu und wollte wissen, wer das war. Meine Antwort: „Das glaubst du mir nie.“

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