Calaugh’s Cats Café

15:15 Uhr. Asakusa. Tôkyô.

Conran: Gestatten Sie, ich bin ein Kater. Unbenannt bislang.

Nero: Fresse.

Nora: Natürlich hast du einen Namen, Con-fucking-Ran, hahaha. Lass deine schlechten Literaturzitate stecken.

Conran: Bitten entschuldigen Sie, meine Damen. Treten Sie doch bitte ein. Das hier ist eine unserer menschlichen Angestellten. Sie wird Sie an den Tisch führen und Ihnen alles Nötige erklären.

Oniroku: Ich rieche, die eine von den beiden ist keine Japanerin.

Nero: Na und?

Nora: Natürlich sind die beiden Japanerinnen. Du hast die Ausländer doch schon gesehen. Die meisten haben Glubschaugen und Nasen, die in ihren Visagen stecken wie Messer in Äpfeln.

Oniroku: Ja, meistens. Aber manche sehen eben auch aus wie Japaner.

Nora: Na … warten wir’s erst einmal ab.

(…)

Nora, Nero, Oniroku: Hahahahahaha.

Nora: Lol! Hast du das gehört?! Die eine zu der anderen Was tlinkst du?

Nero: Ich kannima. Tlinken!

Oniroku: Hehehe. Und? Was habe ich gesagt, Nora?

Nora: Gut du hattest Recht. Der geht an dich.

Oniroku: Deinen nächsten Snack mit getrocknetem Fisch kriege ich.

Nora: Vergiss es.

Conran: Ach bin ich froh, dass Sie unsere Sprache nicht verstehen, Mes Dames. Wir hätten nur halb so viele Kunden. Wofür haben Sie sich denn entschieden? Geeisten Pfefferminztee. Oh, da hat aber jemand Geschmack.

Nero: Voll widerlich, Mann. So etwas können nur Menschen trinken. Warum bestellen Sie nicht einfach meine Pisse? Schmeckt bestimmt besser, ergo lässt sich auch in Geld verwandeln.

Conran (zu Nero): Dir sollte man mal gehörig den Mund waschen. (Zu uns) Wie bitte, was sagten Sie? Ich … oh … das ist sehr freundlich von Ihnen. Aber ich bin keine Katze, sondern ein Kater. Nein, also … ein … ein KATER!

Oniroku: Oh, Mann. Das ist allein schon sehr entmannend nur dabei zuzusehen.

Nero: Hähähä! Weißt du, was das heißt, Conran? Das heißt, dass du aussiehst wie eine verdammte Schwuchtel.

Nero, Nora: Hehehe.

Conran: Oh, das ist sehr freundlich, sehr aufmerksam, dass Sie es endlich eingesehen haben. Ja, ich bin ein Kater. Und ja, natürlich dürfen Sie mich streicheln. Ja und auch mit mir spielen. Dort drüben ist ein Korb mit diversem Spielzeug. Ja genau der. Wenn ich mich zu meinen Vorlieben äußern darf, mein Lieblingsspielzeug ist die kleine Plüschmaus an der pinken Schnur.

Nora (äfft Conran nach): Mein Lieblingsspielzeug ist die kleine Plüschmaus an der pinken Schnur …

Nero: Und sich dann wundern, warum man dich für eine Ische hält.

Nora: Das ist die Kastration. Danach ist einfach alles anders. Ich sag’s dir.

Nero: Eine Schande ist das …

Conran: Ganz genau. Na, Sie müssen die Maus schon ein bisschen früher wegziehen. Ich bin hier immerhin der sportlichste Kater im Café.

Oniroku: Sagt wer?

Nero: Fran Fran ist schneller als du.

Conran (zu Nero): Fran Fran zählt nicht. Er ist gerade in der Mittagspause. Übrigens, falls ihr eine Erinnerung braucht. IHR habt gerade keine Mittagspause. Es ist Arbeitszeit!

Nora: Entspann dich Con-fucking-Streber-Ran. Du brauchst dich nicht so anstrengen. Besser gesagt solltest du dich erst gar nicht so anstrengen. Du benimmst dich wie ein scheiß Hund. Chill dich in die Ecke und ignorier sie. Das wollen sie insgeheim.

Conran: Entschuldigen Sie bitte, meine Damen. Trinken Sie ruhig Ihren Tee weiter. Ich bin gleich wieder für Sie verfügbar. (zu Nora) Du willst mir also erzählen, dass ich unfreundlicher sein soll? Oder sie ignorieren?

Nero: Ja, in anderen Worten: Sei einfach asozial zu ihnen. Nora hat Recht.

Conran: Ist das jetzt euer Ernst?

Nora: Guck dir doch diese ganzen Youtube-Videos an, die sie von uns posten. Die Views zeigen uns, dass sie auf genau zwei Sorten von Katzen stehen. Auf süße, verschlafene Katzenbabys und auf asoziale Katzen, die seelenruhig Vasen von der Fensterbank stoßen und dabei nicht mit einer Wimper zucken. So, und jetzt überleg mal, was deine Perspektiven sind, du Möchtegern-Hund. Gehst du noch als süßes Katzenbaby durch, Conran?

Conran: …

Nero: Noooope!

Nora: Bingo. Also, bleibt dir nichts anderes übrig, als dich hinzulegen, deine Pfoten zu lecken und beflissentlich an den Kunden vorbeizuschauen?

Conran: Ihr lasst euch von Youtube-Videos manipulieren. Sie schaffen nur Katzenbilder, die euch unter emotionalen Druck setzen, diese Bilder zu erfüllen. Aber so einfach ist es mit unserem Wesen nicht. Na, was heißt hier eigentlich „unser“ Wesen? Wir alle besitzen individuelle und komplexe Identitäten …

Oniroku: Riecht ihr das? Es wird wieder Fischpaste warm gemacht. Ein Kunde muss sie bestellt haben.

Nora: Na endlich. Nero, du warst eben dran. Dieses Mal gehen Oniroku und ich.

Nero: Ausnahmsweise. Soll ich dir einen Tipp geben?

Nora: Ok.

Nero: Setz dich auf den Nachbartisch, halt den Kopf gerade und miau ein bisschen herum. Ich sag dir, die flippen aus weil unter dem Licht deine Augen sehr stark zur Geltung kommen. Wenn du das bringst, kriegst du die ganze Tube für dich.

Oniroku: Zu spät. Ich sitze schon bei der Kundin auf dem Schoß. Sie liebt mich. Und sie denkt ich liebe sie. Sorry, Nora. Aber das ist meine Tube.

Nora: Oh, die Kellnerin bringt die Graspflanze an den Tisch mit den zwei Pfefferminztees. Dass sie diese Pflanze auch immer da hinstellt, damit sie sich nicht ans Bein gepinkelt fühlen …

Nero: Warum bestellt nicht noch jemand Fischpastete verdammt?

Conran: Die Kellnerin meinte eben zu anderen Kunden, die sei ausverkauft.

Oniroku: Das glaubst du nicht wirklich oder?

Conran: Warum sollte ich das nicht glauben?
Oniroku: Hast du eine Ahnung, wie viel Kalorien diese Fischpasten-Tüten haben? Sie verkaufen am Tag nie mehr als 10 davon.

Conran: Wieso?

Nora: Damit wir nicht fett werden!

Conran: Oh, mes Dames, Sie verlassen uns schon? Nur zwei Pfefferminztee? Wollen Sie nicht etwas länger bleiben? Zum Beispiel auf einen Affogato?

Nero: Was? Die hauen schon ab? Dann muss ich noch schnell an den Füßen riechen. Sehr geil, die eine hat sogar Sandalen an.

Conran: Nero! Benimm dich. Warum willst du an ihren Füßen riechen?

Nero: Du warst noch nie high oder? Ich schwör, du hast keine Ahnung, was so ein richtiger Fuß-Trip ist.

Conran: Ich … äh, nein natürlich nicht. Will ich auch gar nicht. Ich nehme keine Drogen.

Nero: Selbst Schuld. Würde dir aber mal ganz guttun. Du würdest mal so richtig entspannen. So wie unsere vier Bros, die da oben auf den Regalen chillen.

Conran: Ja, entschuldigen Sie, Ladies. Wie unsere Kollegin Ihnen schon mitgeteilt hat, macht das 750 Yen pro Person. Ach, entschuldigen Sie. Mit der Platzgebühr sind es 1000.

Nora: Kannst du es Ihnen verübeln? 1000 Yen zahlen Sie für diesen Pfefferminztee.

Conran: Auf Wiedersehen! Beehren Sie uns bald wieder.

Nero: Whoa, Conran, mach Platz. Ich muss mich mal eben hier hinchillen.

Juli Yi

Juli Yi

Ihre erste Kurzgeschichte verfasste Juli Yi mit 22 Jahren auf einer Reise nach Japan. Seitdem hat sie festgestellt, dass das Schreiben ihr leichter von der Hand geht, wenn sie unterwegs ist und sich an einem Zwischenort befindet. Während sie liest oder Musik hört, hat sie immer einen Bleistift zur Hand, um neu inspirierte Gedanken festzuhalten. Die Sammlung ihrer Ideen­schnipsel liefert ihr oft den Anstoß zu einer neuen Geschichte. Jetzt, da aus ihrem Hobby ein Berufsziel geworden ist, musste sie ihr chaotisches Leben neu ausrichten und ihren Alltag nach dem Schreiben organisieren. Sie hat ihre Familie im geliebten Hamburg zurückgelassen, um an der Universität in Hildesheim ihre Arbeit zu vertiefen.
Juli Yi

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  • Maneki Neko: pixabay.de

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