Es dauerte rund fünf Jahre, bis ich Dieter Paul Rudolph aka DPR zu ersten Mal leibhaftig begegnete. Okay, nach Blieskastel verschlägt es einen von Münster nicht so unbedingt. Nach Frankfurt schon eher. Da hatten wir uns auf DPRs Website „Watching The Detectives“ in einer virtuellen Redaktion über Kriminalliteratur, Scott Walker, Joni Mitchell, Jean Paul, Arno Schmidt und Alltagspoesie ausgetauscht. DPR veröffentlichte auf seiner Seite Rezensionen, Essays und Glossen. Kenntnisreich, witzig und streitbar.
Daneben startete er den Versuch ein Krimijahrbuch zu etablieren, von dem immerhin vier Ausgaben erschienen; er erarbeitete mit anderen den wunderbaren Mordskalender und verfasste selbst lesenswerte Romane, mitunter sperrig, aber auch mit viel Lust an Pulp-Literatur und hintergründigem Witz.
Auf unterschiedlichen Wegen landeten wir beide auf der Krimi Couch, jenem mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichneten Portal. DPR eröffnete dort sein Krimilabor, in dem er zusammenkochte und auseinanderdividierte, was ihm im Genre von Interesse schien. Und sein Interesse war riesengroß. Die einzelnen Ausgaben des Labors sind immer eine Lesereise wert.
In den letzten Jahren rückten die Möglichkeiten des Selfpublishing in seinen Fokus. Ganz besonderes Augenmerk galt „seinen“ Fantasygirls, einer Gruppe junger Frauen, die voluminöse Romane im Bereich Fantasy, Horror, Mystery und Krimi verfassten. Mit Schreibwerkstatt und gemeinsamen Buchmessebesuchen. Eine ganz besondere Art der Jugendarbeit, die nicht nur die Lust am Lesen sondern auch am Schreiben effektiv förderte.
Wir trafen uns immer, auch ohne Verabredung, auf der Frankfurter Buchmesse, gerne bei Pendragon oder DPRs saarländischem Heimatverlag Conte, der auch einige seiner Bücher veröffentlichte. Wenn dann Guido Rohm noch um die Ecke bog, schien die Welt für einen Moment so zu sein wie sie sein sollte.
Nee, ich werde jetzt nicht sentimental, obwohl mir danach ist. Aber ich habe viele schöne Momente mit DPR erlebt, die immer wieder für reichlich Gesprächsstoff sorgen und an die ich mich gerne erinnere. Ebenso an die tollen Menschen, die ich via DPR kennenlernen durfte. Und an unsere Screwball-Momente auf der Krimi Couch. So vieles… was gewesen ist und noch hätte sein können.
Am 29. Mai ist DPR an den Folgen eines Herzinfarkts im Alter von nur 61 Jahren gestorben. Die Kriminalliteratur, Popkultur (er war ausgemachter Joni Mitchell-Fan, über die er auch ein Buch verfasste) und Literaturwissenschaft verliert einen eloquenten, sachkundigen, das Genre liebenden, so kreativen wie konfrontativen und ungemein spitzbübischen Menschen. Ich vermisse ihn schon jetzt.
von Jochen König.
Pendragon
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Ja, traurig. Ich erinnere mich noch gern an die Kritikerstammtische zurück.
Er hatte die Wut und die Leidenschaft, die heute manchmal fehlen.
Er hat sich gelegentlich über mich geäußert, auch mal über einen Roman von mir – ein Beispiel für seine Art zu rezensieren. Er stellt das besprochene Buch in einen Zusammenhang. Falls jemand seinen Stil kennen lernen möchte: http://www.hinternet.de/weblog/2012/02/michael-molsner-dich-sah-ich.php
Persönlich kannte ich ihn nicht. Gute Reise, dpr!
Vor nicht mal einem Jahr erst hat mich eine Freundin auf seinen Blog aufmerksam gemacht. Seitdem habe ich kräftig mitgelesen, dann gewartet und nun finde ich diesen Text hier.
Ich mochte seinen Humor, und es stimmt mich traurig, dass es ihn nicht mehr gibt.
Dpr, mögest du dort, wo du jetzt bist, niemals einem Selfpublisher begegnen.