Der Bauer und der Bär

Ein Bauer fuhr auf sein Feld am Waldrand, Rüben wollte er säen, und während er pflügte, kam ein Bär aus dem Wald: „Dir brech ich sämtliche Knochen und fress dich!“, brummte der Bär. – „Bär, Bär! Tu das nicht! Lass uns lieber Rüben bauen. Wir teilen! Ich nehm mit den Wurzeln vorlieb, und du bekommst die Schöpfe. Einverstanden?“ – „Einverstanden! Aber leg mich nicht ‘rein, sonst ist es aus mit dir!“ Damit verschwand er wieder im Wald.
Die Rüben gerieten gut in diesem Jahr, und im Herbst kam der Bauer zur Rübenernte gefahren. Da kam auch der Bär aus dem Wald und verlangte seinen Anteil. – „Ja, Bär, wir teilen wie abgemacht! Du die Schöpfe, die schönen Blätter, ich die Wurzeln, die erdigen Rüben!“ – Und der Bauer gab dem Bären das ganze Kraut, lud die Rüben auf seinen Wagen und fuhr damit auf den Markt in der Stadt.
Kam ihm unterwegs der Bär entgegen: „Wohin denn, Bauer?“ – „Auf den Markt in die Stadt, Bär, die Rüben verkaufen.“ – „Lass mich mal eine versuchen!“ – „Da, nimm!“ Und der Bauer gab ihm eine schöne große Rübe. Die fraß der Bär und schon brüllte er los: „Du hast mich ‘reingelegt, Bauer! Hast mich betrogen! Deine Wurzeln sind süß! Komm ja nicht mehr in den Wald! Komm ja nicht an den Waldrand! Ich brech dir sämtliche Knochen im Leib und fress dich auf!“
Im Frühjahr fuhr der Bauer wieder auf sein Feld. Weizen wollte er säen und pflügte. Da kam der Bär aus dem Wald. – „Vergiss nicht, was wir abgemacht haben!“, brummte er. – „Vergess ich nicht! Vielleicht willst du‘s dies Jahr aber anders ‘rum? Dir die Wurzeln und mir die Schöpfe?“ – „Klar, so soll es sein, Bauer! Aber wehe, du legst mich wieder ’rein!“ Damit verschwand der Bär im Wald.
Der Weizen geriet bestens in diesem Jahr, und am Ende des Sommers kam der Bauer zur Ernte. Da stand auch schon der Bär: „Gib mir meinen Anteil!“ – „Ja, klar, Bär! Dieses Mal dir die Wurzeln und mir, was oben ist.“ Und so schnitt er die Halme, lud auf und fuhr heim.
Der Bär grub die Wurzeln aus, probierte sie hin und her, aber die schmeckten nicht, er konnte nichts mit ihnen anfangen. Oh, da wurde er böse, bitterbös! Und von da rührt die Feindschaft zwischen Bauern und Bären.

Aus: Tiermärchen vieler Völker. Band 4: Tiermärchen aus Russland. Herausgegeben von Alexander Gruber.

Alexander Gruber

Alexander Gruber

"Hallo, ich bin Ihr Nachbar, feiere selten Partys, werkle ein bisschen im Garten, und wenn Sie Hilfe brauchen – ich helfe gern, wenn ich kann." So würde es klingen, wenn man neben Alexander Gruber einzöge. Der Autor lebt für das Schreiben, dem er schon seit der Kindheit nachgeht, für das Lesen und für Gespräche. Märchen und "Beiträge zur theatralischen Denklust" sowie naturlyrische Gedichte sind seine Spezialität.
Alexander Gruber

Letzte Artikel von Alexander Gruber (Alle anzeigen)

Bildquellen

  • Der Bauer und der Bär: Alexander Gruber

Kommentar verfassen