Die gute alte Krimitradition

Das Krimigenre zählt auf dem Buchmarkt gegenwärtig zu den beliebtesten literarischen Gattungen. Dabei ist das Spektrum von Autoren, Stilrichtungen und Themen bei Kriminalromanen so vielfältig, dass man leicht den Überblick verliert.
 
In einem Gespräch mit Christian Koch und Robert Schekulin von der Krimibuchhandlung Hammett in Berlin Kreuzberg versuche ich dem Genre etwas auf den Grund zu gehen. Buchhandlung HammettNur – wo fängt man da am besten an? Wohl doch am Anfang, oder? Aber wo genau hat er denn angefangen, der Krimi? Darüber wird auch heute noch hitzig debattiert, doch ich will versuchen, hier ein paar mögliche Antworten zu nennen:
Christian Koch schlägt den Fall Kain und Abel vor, wenngleich es sich bei der Bibel natürlich nicht um einen Roman handelt. Nichtsdestotrotz wird ein Verbrechen verübt, dessen Aufklärung es bedarf. Man könnte diese Erzählung also als einen ersten Verbrechensbericht bezeichnen. Gott tritt in diesem Fall jedoch gleichzeitig als Zeuge und Ermittler auf, wodurch der Mord sofort aufgedeckt wird.
Robert Schekulin hat auf die Frage nach dem ersten Kriminalroman gleich drei Antworten parat, alles Werke aus dem 19. Jahrhundert. Zum einen nennt er Henry Goddards „Memoirs of a Bow Street Runner“, mit teils fiktiven, teils biografischen Schilderungen von Einsätzen der ersten Polizeitruppe von London. Dabei handelt es sich ganz klar um Literatur über Verbrechen und sogar in Romanform, nur eben mit einem wahren Kern. Zum anderen gibt es den lesenswerten Roman „Der Fall Leavenworth“ von Anna Katharine Green, der aufgrund seiner akkuraten Darstellung zu den Wegbereitern des Kriminalromans zählt.

Robert Schekulin und Christian Koch

Robert Schekulin und Christian Koch

Ein weiteres Werk, das biografische Elemente mit Fiktion vermischt, sind etwa die Memoiren von Eugène François Vidocq, dem Verbrecher, der schließlich zum Chef der französischen Polizei, der Sûreté wurde.
Die Gattung des Romans war zu dieser Zeit also offensichtlich eher eine Mischform, aus der sich der Krimi erst später herauskristallisierte. Reine Verbrechensschilderungen wurden damals nämlich eher in kurzen Storys verfasst.
Wir sehen also, dass es schon eine ganze Weile Kriminalgeschichten gibt, die sich immer mehr spezialisiert haben, sodass wir es heute mit unglaublich vielen verschiedenen Subgenres zu tun haben. Dies ist eine Tatsache, die Christian Koch begeistert, denn so, sagt er, kann man sich durch die ganze Welt lesen. Krimis können zu jeder Zeit und an jedem Ort angesiedelt sein. Außerdem ist so ziemlich jedes Thema möglich. Ein recht großes Feld also, was es immens erschwert, sich darin zurechtzufinden.
 
Begibt man sich als Neuling in die Kriminalliteratur, rät Koch dazu, verschiedene Krimistile auszutesten, um dann eine bequeme Nische zu finden, in der man sich orientiert. Hierbei sollte man den Fokus nicht auf bestimmte Autoren legen, sondern Mut und Interesse zeigen, indem man sich auch mal klassische Werke einer Kategorie vornimmt. Denn nur so kann man diese Richtung wirklich begreifen. Im Papierform sind sicherlich noch 50 Prozent der bedeutenden Bücher lieferbar, dank E-Books vielleicht sogar 90 Prozent. Außerdem ist es ratsam, etwas Zeit zu investieren und sich ausgiebig beraten zu lassen, schließlich gehört es zum Job des Buchhändlers, die Menschen glücklich zu machen und ihre Wünsche zu erfüllen. Hammett
Salonfähig gemacht haben den Krimi dann übrigens Dashiell Hammett (der Namensgeber der Buchhandlung), Raymond Chandler und Ross Macdonald im 20. Jahrhundert. Durch ihre Hardboiled-Romane um einsame Ermittler mit einem Hang zum Noir und gesellschaftskritische Schreibe schafften die Autoren es sogar auch von Lesern verschlungen zu werden, die sonst dem Krimi nichts abgewinnen konnten. Glauser In Deutschland zählt man auch Friedrich Glauser zu dieser Tradition.
Politische und gesellschaftskritische Krimis schätzt Christian Koch sehr. Zu seinen persönlichen Favoriten zählen die Romane von James Ellroy, die Sittendokumente der US-Gesellschaft darstellen, Merle Kröger, deren Werke er für sehr mutig hält, und natürlich „Rote Ernte“ von Dashiell Hammett, in seinen Augen dem besten Roman der Welt, der Korruption und menschliches Schicksal zum Thema macht.
 
Zum Schluss beschäftigte mich dann die Frage, wann die beiden Experten eigentlich den ersten Krimi in ihrem Leben gelesen haben. Wann sie zum ersten Mal eine Geschichte gehört haben, die sie nicht mehr losgelassen hat, bei der sie Verbrechen reflektiert und bewusst wahrgenommen haben. Bei Robert Schekulin waren es die Fünf-Freunde-Romane von Enid Blyton und „Emil und die Detektive“ von Erich Kästner. Später stieg er dann mit Agatha Christie richtig ins Krimigenre ein. Christian Kochs erstes Krimierlebnis war das Kinderbuch „Mecki im Schlaraffenland“ von Eduard Rhein und Reinhold Escher, in dem Meckie und seine Hamster die Grenze von der normalen Welt ins Schlaraffenland überschreiten, weil sie sich durch das Gebirge aus Hirsebrei essen. Dort gibt es einige zwielichtige Figuren und Arbeiten ist ein Verbrechen. Mit dreizehn verschlang er schließlich die Romane von Janwillem van de Wetering und konnte sich nicht mehr von der Krimiliteratur lösen. Zum Glück! Denn sonst wären uns so einige wertvolle Krimitipps durch die Lappen gegangen.
Ich habe mir übrigens auch einmal Gedanken über meinen ersten Krimi gemacht und war erstaunt, wie früh ich bereits mit dem Verbrechen in Berührung kam: Mein erstes (und liebstes) Buch, an das ich mich erinnere, ist „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch, deren Streiche in meinen Augen alles andere als harmlos waren …

Sarah Wiedenhöft

Sarah Wiedenhöft

Fettnäpfchen aufgepasst! Hier kommt Sarah Wiedenhöft, die Pendragon Volontärin und Social-Media-Tante. Wenn sie mal nicht im Netz herumtobt, hat sie ihre Nase in ein Buch gesteckt und liest stehend, gehend oder liegend, bis das Paperback in ihrer Hand komplett zerfleddert oder der Akku des E-Readers leer ist. Dabei ist die Auswahl ihrer Lektüre so unterschiedlich wie ihr Musikgeschmack: Einmal querbeet.
Auch Kochbücher haben es ihr angetan weshalb sie oft und gerne in der Küche herumwirbelt und Neues ausprobiert.
Sarah Wiedenhöft

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Bildquellen

  • Buchhandlung Hammett: Sarah Wiedenhöft
  • Robert Schekulin und Christian Koch: Sarah Wiedenhöft
  • Hammett: Sarah Wiedenhöft
  • Glauser: Sarah Wiedenhöft
  • Krimi: Pendragon

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