Japanische Literatur? Japanische Krimis? Ich weiß nicht, das ist so exotisch, heißt es häufig, wenn ich meine Bücher bewerbe. Stimmt. Die Leiche liegt in Tokyo, der Kommissar heißt nicht Müller, sondern Tanaka, das Mordwerkzeug ist ein Schwert, und das Opfer hat vor seinem traurigen Ableben womöglich eine Nudelsuppe geschlürft. Das ist, wenn man so will, exotisch. Die eigentliche Exotik liegt aber meist woanders. In der Übersetzung nämlich.
Neulich verschlug es mich zum Beispiel in der deutschen Version eines japanischen Krimis in den Bezirk »3LDK«. Einen solchen Bezirk gibt es in Tokyo nicht, entsprechende Wohnungen hingegen schon – 3 Zimmer mit Wohnküche, auf japanisch kurz: 3L(iving)D(ining)K(itchen). Solche Fehler gehören allerdings zur harmloseren Sorte, den meisten Lesern fallen sie wahrscheinlich nicht einmal auf. Bei Übereck-Übersetzungen, i. e. bei Übertragungen aus einer dritten Sprache wie in diesem Fall, kann so etwas, vor allem, wenn der zweite Übersetzer sich mit Japan nicht auskennt, schon mal passieren.
Gravierender wird es, wenn es draußen nicht hell wird oder tagt, sondern die Nacht aufklart, Menschen sich in Umrissen entfernen, jemand aus dem Zug springt, um ihm schon im nächsten Augenblick von weitem nachzusehen, wenn Augenlider sich flatternd bewegen und kalte Augäpfel tränen, kurz: wenn Übersetzer »verwörtlichen«. Das ist, finde ich, überhaupt nicht harmlos und in obigen Fällen auch keinem zweiten Übersetzer geschuldet, sondern schlicht mangelnder Sprachkenntnis.
Bei onomatischen Ausdrücken wird solche Verwörtlichung besonders augenfällig. Anders als im Deutschen, das über sogenannte »integrierte Onomatopoetika« verfügt –rumsen, rattern, blaffen, tippen, klatschen usw. –, arbeitet das Japanische häufig mit Kombinationen aus Onomatopoetikum und Verbal- bzw. Nominalausdruck, also zum Beispiel mit einem Verb wie gehen und einem die Art des Gehens spezifizierenden Onomatopoetikum (z. B. polter-polter oder schleich-schleich) oder einem Substantiv wie Geräusch und einem, die Art des Geräusches spezifizierenden Onomatopoetikum (z. B. klatsch, prassel). Wer hier wörtlich übersetzt, lässt Insekten zirpend tönen, Menschen polternd gehen oder mit weinerlicher Stimme aufjaulen. In dem Sinne wird das dann ziemlich »exotisch«.
Aber natürlich gibt es auch wunderbar übersetzte japanische Literatur, und der Internationale Übersetzertag, der am 30. September gefeiert wird, wäre ein hervorragender Anlass, sie zu entdecken.
Katja Cassing
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