Tanabata

Nächste Woche ist Tanabata, da darf man sich was wünschen (und daran glauben, dass es in Erfüllung geht). Denn am 7. Tag des 7. Monats, dem Tag des japanischen Sternenfestes, treffen sich die Sterne Altair (Sternbild Adler) und Wega (Sternbild Leier), für die der Stern Deneb eine Art Brücke über die Milchstraße bildet. Und zu dieser Konstellation gibt es eine Geschichte, nämlich die von Orihime, der Weberprinzessin (Wega), und Hikoboshi, dem Rinderhirten (Altair), und die geht so:

Orihime und Hikoboshi waren so ineinander verliebt, dass sie darüber ihre Arbeit vergaßen. Orihime webte keine Kleider mehr und Hikoboshis Kühe spazierten gemütlich über den Himmel. Das erzürnte den Gott des Himmels, Orihimes Vater, so sehr, dass er Hikoboshi auf die andere Seite des Himmelsflusses verbannte. Weil Orihime nun aber so traurig war, dass sie gar nicht mehr arbeiten konnte, wurde den beiden erlaubt, sich einmal im Jahr zu treffen. An diesem Tag kommen Vögel und bilden mit ihren Flügeln eine Brücke, so dass die Liebenden sich treffen können (allerdings nur bei schönem Wetter, bei Regen ist der Fluss zu breit).

Im Glauben, dass die eigenen Wünsche sich ebenso erfüllen wie der von Orihime und Hikoboshi, schreibt man sie in Japan am Vorabend des 7. Juli auf bunte Papierstreifen und befestigt diese an Bambuszweigen. Also schnell einen Bogen Buntpapier besorgt, in Streifen geschnitten und mit jeweils einem Wunsch versehen in die nächstbeste Eiche gehängt.

Eine Handvoll Wünsche fallen mir auch gleich ein. Neben einem unerschöpflichen Vorrat an japanischen Reiscrackern wünsche ich mir, dass die Nachrichtensprecher wieder anfangen, Nachrichten zu lesen und aufhören zu schauspielern, dass Menschen, die bei Unfällen oder Naturkatastrophen ums Leben kommen, in der Berichterstattung künftig wieder „sterben“ oder eben „ums Leben kommen“ dürfen und nicht immer „getötet“ werden müssen, dass man dem Wörtchen „verschieden“ endlich seine Bedeutung „unterschiedlich“, die es sich mühsam erkämpft hat, wiedergibt und aufhört, sich dauernd mit „unterschiedlich“ politisch-korrekt in die Goethe-Zeit zurückzukatapultieren. Ach ja: Und schönes Wetter wäre schön.

Katja Cassing

Katja Cassing

Als gelernte Japanologin hat die Verlegerin und Übersetzerin Katja Cassing es sich zur Aufgabe gemacht, japanische Romane zu entdecken, die auf dem deutschen Markt noch weitgehend unbekannt sind. Sie möchte mehr solche Texte in deutscher Sprache verfügbar machen, eine Brücke zwischen den Kulturen schlagen. Etwas Kreatives zu schaffen, das einen überlebt ist für die Verlegerin der größte Ansporn. Da diese Arbeit sie erfüllt, arbeitet sie oft auch bis zum Umfallen. Vermutlich wäre sie auch vor lauter Arbeit schon verhungert, wenn sie nicht ebenso leidenschaftlich kochen und essen würde.
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