„Du hörst zu und kaum etwas ergibt einen Sinn, und du hörst weiter zu und hörst weiter zu, und dann zeigt sich etwas – ein Muster, ein Ereignis, eine Ausflucht, ein Widerspruch.“ (Letzte Chance Las Vegas, S. 194, Spenser, R.B. Parker)
Er ist ehemaliger Berufsboxer und Polizist, ein leistungsfähiger Sportler sowie genussvoller Scotch-Liebhaber und vor allem eins: Privatdetektiv. Spenser, dessen Vornamen wir in der gesamten Krimireihe des amerikanischen Autors Robert B. Parker nicht erfahren, besitzt seine eigene Detektei in Boston und macht diese Stadt zum Schauplatz seiner Ermittlungen.
Spenser verkörpert einen Privatdetektiv, der sich den widersprüchlichsten und ausweglosesten Fällen annimmt und versucht Licht ins Dunkel zu bringen. Doch Spenser ist hierbei deutlich mehr als lediglich die Figur eines Privatermittlers – er ist inzwischen nicht mehr aus dem Genre der Kriminalromane wegzudenken.
Was 1973 mit dem ersten Spenser-Band begann und 1977 mit dem Edgar-Allan-Poe-Award ausgezeichnet wurde, endete 2010 mit dem Tod des amerikanischen Autors.
Aber was genau macht diese Faszination um Spenser eigentlich aus? Was unterscheidet Parkers fiktiven Detektiv von den zahlreichen Ermittlern anderer Autoren? Und was sind die Stärken der Spenser-Reihe?
Ein sportlicher Privatdetektiv, der im Alleingang jeden einzelnen Fall löst, es mit einer Hundertschaft an Auftragskillern aufnimmt und sowieso absolut unerschrocken und furchtlos ist – das ist das klischeehafte Bild eines Superhelden, der jeden Kampf mit der Welt bestreitet und natürlich gewinnt. Genau an diesem Punkt greift aber Parker mit seiner Spenser-Reihe ein. Spenser ist alles – aber definitiv kein stereotyper Superheld.
Der amerikanische Autor hat mit seinem Privatermittler einen sehr menschlichen, emotionalen und von Lastern gezeichneten Charakter erschaffen.
Spenser bleibt sich und seinem Weltbild der Gerechtigkeit stets treu und lässt sich nicht von seinem Weg abbringen. In seinen Fällen geht es ihm nicht nur um die strafende, sondern auch um die moralische Gerechtigkeit. Seine Hartnäckigkeit scheint hierbei die wichtigste Eigenschaft zu sein. Um mit seinen Ermittlungen ans Ziel zu kommen, greift der Detektiv durchaus mal auf amüsante und unmoralische Strategien zurück. Parkers Detektiv ist während seiner Ermittlungsarbeit zudem aber besonders eines: unglaublich nahbar und authentisch. Er geniert sich nicht offen mit seiner Angst umzugehen und sich seiner Freundin Susan anzuvertrauen. Auch Susan ist ängstlich und sorgt sich um ihren Partner – denn ein nach Gerechtigkeit strebender Detektiv macht sich selbstverständlich nicht nur Freunde.
Mit den Charakteren Spenser, dessen Freundin Susan Silverman und dessen Kumpel Hawk hat Robert B. Parker einen eigenen Kosmos erschaffen. Diese immer wiederkehrende Personenkonstellation verleiht dem Plot seinen Rahmen und viele wichtige Impulse.
Susan Silverman ist Psychologin und berät Spenser durch ihre Kenntnisse als „Seelenklempnerin“ vor allem im Hinblick auf psychologische Betrachtungsweisen möglicher Täter. Sie studiert und analysiert die Menschen und hilft Spenser oft dabei, psychologische Profile zu erstellen.
Spensers Vertrauter Hawk hingegen, ist kampfeslustiger. Gemeinsam stellen sich Spenser und Hawk den gefährlichen Fällen und bieten sich gegenseitig Rückendeckung. In ihren Ermittlungen verstricken sich die Verbündeten oft in einem Netz aus Lügen, Intrigen, Gewalt und Spekulationen. Sackgassenartige Ermittlungsversuche, manipulierte Zeugenaussagen und Drohungen begleiten die Männer auf ihrem Weg und garantieren Spannung. Spenser und Hawk begeben sich in schonungslose Katz-und-Maus-Spiele, die den Leser in eine aufregende Welt entführen.
Spenser, der sein Handwerk zweifelsohne beherrscht, hat neben seiner Leidenschaft für die Aufklärung von Verbrechen beruhigenderweise auch einige Laster. So begleiten ihn seine Schwächen für koffeinfreien Kaffee, eisgekühltes Bier, leckere Donuts – und für seine Traumfrau Susan. Er liebt seine Freundin abgöttisch, und begegnet auch der übrigen Frauenwelt mit einer charmanten und respektvollen Art, mit der er sich als Gentleman auszeichnet. Der durchtrainierte Privatdetektiv ist im Besitz zahlreicher Waffen unterschiedlicher Kaliber, widmet sich mit großer Begeisterung dem Kampfsport und genießt im gleichen Atemzug auch das Rezitieren lyrischer Verse. Spenser ist also ein buntes Rundum-Paket, das zu überzeugen weiß.
Was Robert B. Parker seinen Lesern besonders bewusst werden lässt, ist: Sprache bedeutet Macht. Worte können einschüchtern, manipulieren, begeistern, erschrecken oder auch fesseln. Mit dem Wort als Werkzeug weiß Robert B. Parker vollauf umzugehen. Die Spenser-Bände zeichnen sich besonders durch ihre geschliffenen Dialoge aus, die zwischen einem spöttischen und ironischen Schlagabtausch sowie einem humorvollen und amüsanten Wortwechsel changieren. Parkers pointierte Gespräche geben Anlass zum Schmunzeln und überzeugen besonders durch ihre nonchalante Art. Diese ungezwungenen Unterhaltungen spiegeln sich auch in der modernen, lockeren und raffinierten Sprachwahl wieder. Viele ausdrucksstarke Adjektive bereichern die Kommunikation und runden den Lesefluss ab – da reichen die durchschnittlich 200 bis 300 Seiten kaum aus, um den Lesedurst zu stillen.
Mit den Kriminalromanen um Spenser hat der amerikanische Autor ein beeindruckendes, literarisches Erbe erschaffen. Robert B. Parker verbindet spannende und überraschende Handlungsstränge mit einer beeindruckenden Beschreibung der Bostoner Kulisse. Die Spenser-Reihe ist packend, zeitlos und macht süchtig – wie gut, dass Parker seinen Detektiv in 39 Fällen hat ermitteln lassen.
Alle bisher bei Pendragon erschienenen Spenser-Bände sind hier einsehbar.
Weitere Infos über Robert B. Parker und die Spenser und Jesse Stone-Reihen finden sich hier.
von Simona Herzig
Pendragon
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Bildquellen
- Robert B. Parker – Spenser: Pendragon