Juhuh, eine Schreibblockade

Der zweite Tag nun schon, an dem ich keine Zeile zustande bringe, jammere ich der Freundin vor. Nicht einmal Korrekturen gelingen, meine Figuren und ihre Probleme gehen mir auf die Nerven, das letzte Kapitel ist lahm und lesen will das Ganze nachher sowieso keiner. Ich kann mich zu keinem Satz überwinden.
Ojeh, eine Schreibblockade, sagt sie, legt mitleidig den Kopf schief und bietet mir Schokolade an.
Eine Schreibblockade? Das ist ja phantastisch, denke ich, das klingt so bedeutsam. Eine Schreibblockade – dass sie mir so etwas zutraut! Erst eine saftige Schreibblockade macht die Schriftstellerin. Ein großes Wort, aus dem das gequälte Ringen um das einzig passende Wort, das stimmige Bild quillt wie – der Winterspeck über den Bund der Sommerhose vom letzten Jahr? Die schmutzigen T-Shirts aus dem Wäschekorb? Die fauligen Salatblätter aus dem lang nicht geleerten Biomüll? Verdammt, das trifft es nicht, ich hab’s verlernt!
Und es lenkt den Blick auf Schlimmeres: Offenbar bin ich multipel blockiert. Die letzten Wochen mit meinen renitenten Romanfiguren haben mir zur Schreib- auch noch eine Wäscheblockade beschert, eine Müllentleerungsblockade, eine Staubwischblockade und die Fensterputzblockade fällt erst unter den Strahlen der spätberufenen Frühlingssonne so richtig ins Auge. Am besten erst mal einen Mokka im Garten trinken. Wobei – der Kaffee ist ausgegangen und die Terrassenmöbel ob der gravierenden Terrassenmöbelputzblockade nicht zu gebrauchen.
Dann also einkaufen, Terrassenmöbel reinigen und drei Fenster putzen, damit ich überhaupt sehen kann, wie das Wetter draußen ist. Wäsche waschen, Biomüll ausleeren, wenn ich schon mal draußen bin, und dann endlich der Kaffee. Und morgen schreibe ich entweder weiter oder ich putze die restlichen Fenster. Das mit dem Winterspeck – naja, mal sehen.
Solange sich die Blockaden abwechseln heiße ich sie jedenfalls herzlich willkommen!

Gudrun Lerchbaum

Gudrun Lerchbaum

Sie kann Tabellen, Formulare, Kästchendenken und karierte Hemden nicht leiden und auch beim Schreiben interessiert Gudrun Lerchbaum an erster Stelle das Überschreiten von Grenzen. Es fasziniert sie, sich temporär in jemand anderen zu verwandeln, und ganz besonders liebt sie Charaktere, mit denen sie im realen Leben nicht tauschen wollen würde. Schreiben ist forschen für sie und überdies der einzige Job, bei dem sie trotz eines gewissen Hangs zur Faulheit behaupten kann, in jeder wachen Minute zu arbeiten. Denken, beobachten und überhaupt jede Art der Auseinandersetzung mit der Umwelt ist schließlich eine unerlässliche Vorarbeit für gute Geschichten.
Gudrun Lerchbaum

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