Zwei Wildgänse lebten zusammen an einem See und hielten gute Freundschaft mit einer Schildkröte. Weil es aber ein heißer Sommer war, fing der See an auszutrocknen, und die Gänse ratschlagten, was da zu tun wäre. „Lass uns fortfliegen und einen größeren, tieferen See suchen. Dann sind wir aller Sorgen ledig“, sagte die eine, und die andere erwiderte: „Das machen wir. Lass uns aber vorher Abschied von der Schildkröte nehmen.“ Also gingen sie zur Schildkröte und erklärten ihr, dass sie fortfliegen wollten, weil der kleine See hier in der Hitze anfing auszutrocknen. „Das gefällt uns nicht, weißt du.“, sagten sie. – „Das passt mir noch weniger“, sagte die Schildkröte, „ohne Wasser mag ich gar nicht leben. Nehmt mich mit!“ – „Wie denn? Wir fliegen, das kannst du nicht“, sagten die Gänse. – „Ihr könntet mich doch durch die Luft tragen.“, sagte die Schildkröte. – „Ein guter Einfall!“, sagte darauf der Ganter, „Wir machen es so: Hier leg ich diesen kräftigen Stock hin; du beißt in der Mitte fest zu mit deinen kräftigen Zahnreihen und lässt auf keinen Fall los, mag passieren, was will. Verstanden? Und wir packen an beiden Enden an und tragen dich fort durch die Lüfte.“ – „Ihr seid wahre Freunde!“, sagte die Schildkröte und sofort verbiss sie sich in den Stock. Gans und Ganter schnappten je ein Ende, und flügelschlagend flogen sie empor. Wie sie aber über ein Dorf hinwegflogen, sahen die Leute die sonderbare Erscheinung und riefen: „Seht nur die faule Schildkröte, ist so groß und lässt sich noch tragen!“ – „Dummköpfe!“, zischte die Schildkröte. ‚Ich kann doch nicht fliegen‘, wollte sie sagen, aber da stürzte sie schon auf die Erde, weil sie das Maul aufgemacht hatte, zerschellte an einem Feldstein, und die Leute im Dorf aßen drei Tage lang eine köstliche Schildkrötensuppe.
Alexander Gruber
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