Pendragon: „Linges Mission“, oder auch „Flammen und Regen“, wie es im Original heißt, ist ein Roman, der reale Ereignisse in einer spannenden Handlung verpackt. Was hat dich dazu bewegt, einen Roman über Martin Linge zu schreiben?
Øystein Wiik: Es begann damit, dass ich ein Konzert in Måløy an der Westküste Norwegens geben sollte. Dort wohnte ich in einem Hotel namens Kaptein Linge und dachte mir: Es muss doch sicher eine Geschichte dahinterstecken, wenn ein Hotel nach einem Offizier des Zweiten Weltkriegs benannt wird. Wie der Zufall es wollte, wurde ich später gebeten, dramatische Texte für ein Erlebniszentrum über den Måløy-Raid (auch als Operation Archery bekannt), die Kompanie Linge und den Zweiten Weltkrieg zu schreiben. Als ich anfing, über Martin Linge zu lesen, dachte ich zuerst, dass dies eine großartige Geschichte für einen Film wäre. Das Erste, was ich also tat, war, ein Drehbuch zu schreiben, das nun zu einem Roman geworden ist.
Pendragon: Ein historischer Roman bringt automatisch auch Recherchearbeit mit sich. Wie viel hast du vor/während dem Scheiben recherchiert und wo hast du die meisten Quellen gefunden?
Øystein Wiik: Ich habe parallel geforscht und geschrieben, und zwar bis ins kleinste Detail. So habe ich beispielsweise versucht, das ganze Gefecht in Måløy nachzuvollziehen oder auch die Zeit gemessen, wie lange es dauert, von einer Straße zur nächsten zu laufen. Ich habe recherchiert, aus welchem Winkel ein Scharfschütze schießen musste, um die entscheidenden Treffer zu landen. Ich habe private Notizen und Tagebücher gelesen, habe mit Offizieren, Historikern und der einheimischen Bevölkerung in Måløy gesprochen. Und natürlich war die Arbeit im Erlebniszentrum selbst sehr umfangreich und wichtig, um Informationen über die dramatische Geschichte von Martin Linge zu finden.
Pendragon: Doch der Roman ist kein Tatsachenbericht, sondern ein spannender Spionagethriller mit viel Dramatik, und dafür sind einige Aspekte der Handlung frei erfunden – was sind die drei größten Sachen, die du dazu gedichtet hast, und warum?
Øystein Wiik: Die Figur des Bjørn, der in der Jetztzeit erzählt, ist erfunden, aber er ist notwendig, um Martin aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Außerdem ist er ein Werkzeug, mit dem erklärt werden kann, was in den letzten entscheidenden Minuten von Martin Linges Leben passiert ist. Es gibt drei verschiedene Augenzeugenberichte, die sich in keinster Weise decken. Ich habe mich daher für eine vierte Version entschieden und ein Ende geschaffen, das auf all meinen Forschungen basiert und als die wahrscheinliche Version angesehen wird.
Pendragon: Neben der Handlung um Martin Linge gibt es auch eine zweite Zeitebene, in der sich sein Freund Bjørn zurückerinnert. Warum war es dir wichtig, diese Ebene einzubauen?
Øystein Wiik: Ich stellte mir die Frage: Welche Opfer müssen andere bringen, damit jemand zu einem Kriegshelden wird? Was ist mit all den Soldaten, die zu Martin Linges Ruhm beigetragen haben? Bjørn gibt ihnen in diesem Drama eine Stimme. Und ich finde es wichtig, jemanden zu porträtieren, der im Mittelpunkt der Ereignisse stand, aber nie Anteil an Ruhm und Rampenlicht hatte. Jemand, der ein unbekannter und anonymer Held blieb. Und ich wollte das Leid erforschen, das es mit sich bringt, schreckliche Ereignisse zu überleben. Bjørn hat PTBS, aber damals wusste man nicht, was das war, und es gab kein System, um Soldaten zu helfen, die solche Traumata durchlebten.
Pendragon: Es ist immer wieder spannend zu hören, wie verschiedene Autoren an den Schreibprozess rangehen. Wie sieht der bei dir aus: Hast du bestimmte Zeiten, in denen du schreibst, oder besondere Orte?
Øystein Wiik: Ich schreibe am besten, wenn ich in der Nähe des Meeres bin. Also habe ich ein Schreibzimmer am Oslofjord, wo die Morgensonne scheint, und ich mag es, zu beginnen, wenn sie gerade aufgeht. Dann habe ich einen Vorsprung im kreativen Prozess und bin oft vor dem Mittagessen mit dem fertig, was ich für den Tag schreiben wollte. Wenn ich die Zeit habe und mich nicht für den Tag „ausgeschrieben“ habe, fahre ich am Nachmittag fort, bis es Zeit ist, das Abendessen zuzubereiten. Und dann nehme ich gerne einen Gedanken oder eine Idee mit ins Bett. Ich träume von der Geschichte, und wenn ich zwischendurch aufwache, meditiere ich über den Gedanken oder die Idee, bis ich wieder einschlafe. Für mich ist das Schreiben ausschließlich lustvoll. Ich liebe meinen Job und habe in der Regel Spaß am Schreibprozess.
Pendragon: Neben dem Schreiben bist du – unter anderem – außerdem Musicaldarsteller und Operntenor. Hast du dir jemals gewünscht, eines deiner eigenen Werke auf die Bühne zu bringen?
Øystein Wiik: Ich begann auch für das Theater zu schreiben und habe insgesamt 20 Bühnenwerke geschrieben. Also: Dieser Traum ist schon mehrmals erfüllt. Alle Bühnenwerke sind in Deutschland, Österreich, Skandinavien oder USA produziert und aufgeführt.
Pendragon: Und zu guter Letzt: Hast du vielleicht schon Pläne für einen weiteren Roman?
Øystein Wiik: Ja, ich arbeite an einem neuen Roman und zwei Musicals.
Pendragon
Letzte Artikel von Pendragon (Alle anzeigen)
- Auf den Spuren des norwegischen Nationalhelden Martin Linge - 12. Mai 2025
- ÁMBAR – Ein Blick hinter die Kulissen - 5. Februar 2025
- LEUCHTTÜRME – Zu Besuch in der Buchhandlung Lüders - 27. September 2024