Ich brauche ein Buch…
Gerne ein bisschen zynisch und auch witzig… gut zu lesen, aber nicht zu seicht…
Zum Geburtstag…zum 50….für einen Mann…
Ist Frau Lüders heute nicht im Haus?
Ich kann mir ein innerliches Grinsen nicht verkneifen – habe ich diese Situation während meiner Zeit als Buchhändlerin so oder ähnlich doch mehr als einmal selbst erlebt.
Aber auch wenn die Chefin gerade nicht anwesend ist, kann der Kundin natürlich trotzdem geholfen werden. Schließlich kann Ragna Lüders auf ein qualifiziertes und hoch motiviertes Team bauen. Und so geht die Dame kurze Zeit später glücklich und zufrieden wieder aus dem Laden – mit einem hübsch verpackten Geschenk unter dem Arm.
Dass auf den Spürsinn aller Mitarbeiter Verlass ist – davon zeugt übrigens auch die zunehmende Beliebtheit des literarischen Abos: Ein Jahr lang kann man sich selbst oder einen lieben Menschen mit individuell auf den persönlichen Lesegeschmack abgestimmten Büchern überraschen lassen – eine monatliche Wundertüte, die gut ankommt.
Es ist aber auch geradezu unmöglich, das Geschäft wieder mit leeren Händen zu verlassen. Wer die Buchhandlung betritt – gelegen im Hamburger Stadtteil Eimsbüttel zwischen der Einfahrt eines Supermarktes und der Filiale einer Drogeriekette – wähnt sich in einem Leseparadies. Bücher wohin das Auge reicht – bis in den letzten Winkel, vom Boden bis unter die mehrere Meter hohe Decke, auf Tischen und Rollwagen, in Regalen und an der Kassentheke. Nonbooks gibt es keine, sieht man einmal von den Toniefiguren ab, die hübsch aufgefädelt an einer Leine über den Kinderbüchern baumeln. Und auch Mangas sucht man vergeblich – Interessenten werden kurzerhand an die Kollegen ein paar Straßen weiter verwiesen.
Unübersehbar sind dagegen die teils noch mit Lederrücken ausgestatteten antiquarischen Bücher, die zu hunderten ein neues Zuhause in den Regalen gefunden haben und dem 75 Quadratmeter großen Raum eine ganz besondere Atmosphäre verleihen. Sie sind gewissermaßen auch der Grundstock der Buchhandlung, die Ragna Lüders‘ Vater Axel vor bald 70 Jahren gegründet hat. „Der rote Lüders“ sei ihr Vater damals genannt worden, hat Ragna Lüders mal in einem Interview erzählt – wegen der großen sozialistischen Abteilung.
Seitdem hat sich viel geändert. Nicht nur, dass die Buchhandlung mittlerweile an einem anderen Standort beheimatet ist – auch das Sortiment ist ein anderes. Geblieben ist der Anspruch, nicht nur Abholstation für bestellte Bücher zu sein, sondern auch einen Diskursraum für die Auseinandersetzung mit gesellschaftlich relevanten Themen zu schaffen. Wechselnde Schaufenster, aber auch eine Vielzahl von Veranstaltungen zeugen davon. Mindestens elfmal im Jahr heißt es Stühlerücken in dem Laden – zuletzt für eine Lesung mit der für den Deutschen Buchpreis nominierten Iris Wolff. Hinzu kommen noch Signierstunden. Oder es schaut auch mal ein Dichter spontan vorbei.
Der Schwerpunkt liegt auf dem literarischen Repertoire, „ohne abgehoben zu sein“, wie Ragna Lüders betont. Oder gar elitär. Leser und Bücher so zusammenzubringen, dass Glück entsteht – darin sieht sie ihre Aufgabe. Zu vermitteln, dass Lesen ein ganz großer Genuss im Leben ist – darauf kommt es ihr an.
Wer Ragna Lüders so reden hört, käme nicht auf die Idee, dass die Mutter einer erwachsenen Tochter nicht aus Leidenschaft Buchhändlerin geworden ist. Die hat sich eigenem Bekunden nach erst im Laufe der Zeit entwickelt. Ihre zweite Liebe gilt der Psychotherapie, seit fast 30 Jahren betreibt sie neben dem Buchhandel auch eine eigene Praxis in der Hansestadt. „Beide Berufe sind gleichwertig“, betont sie. Ob man vor diesem Hintergrund ganz andere Kundengespräche führt? „Mein psychologisches Gehirn ist im Alltag abgeschaltet“, versichert sie lachend.
Die Chefin von 14 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern strahlt eine Leichtigkeit und Gelassenheit aus, die sich auch auf dem Instagram-Kanal der Buchhandlung widerspiegelt. Kaum verwunderlich, dass es ihre Tochter war, die sie mit diesem Medium vertraut machte. Und natürlich war die Mutter anfangs mehr als skeptisch. Mittlerweile ist Insta für die umtriebige Buchhändlerin jedoch unverzichtbar. Die Bilder und Texte für den Kanal verantwortet sie in der Regel selbst, aber auch die Mitarbeiter sind mit im Boot. Und auch wenn diese Posts natürlich inszeniert sind, vermitteln sie dem Betrachter unwillkürlich das Gefühl, live dabei zu sein. Nicht umsonst wurde der Kanal als bester Buchhandlungsblog vor vier Jahren ausgezeichnet.
Mögen die selbstgezimmerten Regale auch noch stehen – die Zeit ist in dieser Buchhandlung gewiss nicht stehen geblieben. Da passt es doch ganz gut, dass mit Anne Sauer ausgerechnet eine Mitarbeiterin von Lüders ein vielbeachtetes Buch über den Hype um Taylor Swift herausgebracht hat. Premiere wurde rechtzeitig zum Tourbeginn der Sängerin natürlich in den Räumen im Heußweg gefeiert. Volles Haus wie immer, aber ganz andere Besucher als gewöhnlich. „Die Stimmung unter den Swifties war sehr ausgelassen“, freut sich Ragna Lüders.
Und so wird es wohl auch in Zukunft sehr lebendig und mit positivem Blick nach vorn in dieser Buchhandlung zugehen.
P.S.: Unnötig zu erwähnen, dass auch ich den Laden nicht ohne Lektüre verlassen habe. Mein Blick ist allerdings auch an einer vermeintlich schnöden Einkaufstüte hängengeblieben. Zig Buchtitel vereint in einem einzigen Text auf der Rückseite – zu kreativ, um nicht mitgenommen zu werden.
Pendragon
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Bildquellen
- Melanie Beck: Claudia Werning