von Florian Bähr
Die Kommissare stecken fest, es fehlen die Beweise, um einem der Verdächtigen den Mord zweifelsfrei nachzuweisen. Von einem Gespräch mit dem Witwer erhoffen sie sich Antworten. Für Sanders ist der Fall am Ende klar…
Teil 4
„Auf so etwas achten auch nur Frauen“, meinte Beck resigniert. Sie waren zurück im Büro und Elke hatte ihm ihre Theorie zweimal erklären müssen. Beim ersten Hören hatte er die Theorie noch als völligen Humbug abgekanzelt, doch inzwischen musste er zugeben, dass Elkes Schlussfolgerung wirklich logisch klang.
„Die Frage ist natürlich: Wie beweisen wir das? Die Theorie ist schön und gut, aber ohne Beweise relativ wertlos.“ Elke ließ sich in ihrer Zuversicht nicht beirren.
„Eine Durchsuchung sollte helfen. Finden wir das Geld, haben wir den Täter. Ansonsten werden wir ihn noch einmal befragen und mehr Druck machen. Wer weiß, vielleicht verquatscht sich ja einer.“ Beck nickte zustimmend.
„Das könnte gehen. Ich werde alles Nötige veranlassen.“
„Können Sie mir sagen, was das alles zu bedeuten hat?“, fragte Kurt Meise genervt. Es war früher Morgen, am Abend zuvor um kurz nach acht standen plötzlich zahlreiche Polizeiautos vor der Tür. Man hatte ihm einen Durchsuchungsbeschluss unter die Nase gehalten, ihm Handschellen angelegt und aufs Revier gefahren. Dort musste er die Nacht in einer Ausnüchterungszelle verbringen, ohne das ihm jemand sagen wollte, was los war.
Die Kommissare Beck und Sanders nahmen ihm gegenüber am Tisch in Verhörraum I Platz.
„Ich muss schon sagen, das haben Sie alles sehr geschickt gespielt“, meinte Beck beeindruckt. „Fast wären wir Ihnen nicht auf die Schliche gekommen. Glücklicherweise haben Sie die Spürnase meiner Kollegin unterschätzt.“
„Ich verstehe nur Bahnhof. Meine Frau wurde ermordet und jetzt verschleppen Sie mich aus meinem Haus, stecken mich über Nacht in so ein Drecksloch und reden auf einmal völlig wirres Zeug.“ Er wirkte ausgezehrt und verzweifelt. Dunkle Ringe hingen unter seinen Augen, Zeugen einer schlaflosen Nacht.
„Sie wollen wissen was los ist? Das kann ich Ihnen sagen: Sie haben Ihre Frau umgebracht!“, beschuldigte Beck ihn.
Meises Augen weiteten sich: „Bitte?! Wie kommen Sie denn darauf? Wieso sollte ich das tun? Ich habe sie doch geliebt.“ Doch die Trauer wirkte nicht aufrichtig.
„Das habe ich mich auch gefragt, bis ich in Ihre Wohnung kam. Dort haben Sie sich verraten. Wobei es weniger Sie waren, als Frau Kalbe“, erklärte Elke.
„Bitte was?“ Die Überraschung, die er jetzt zeigte, war hingegen echt.
„In Ihrem Wohnzimmer roch es gestern nach Lavendel. Genauso wie in der Bude Ihrer Frau.“
„Ja und? Das war nun mal das Parfüm meiner Frau. Nach so kurzer Zeit ist es doch normal, dass es im Haus noch nach ihr riecht.“
„Sehen Sie, das würde ich Ihnen sogar glauben. Die perfekte Antwort, wie auf alle unsere Fragen. Frau Kalbe war gestern also nicht bei Ihnen?“
Meise schaute überrascht, überlegte einen Moment und schüttelte dann den Kopf: „Nein.“
„Interessant. Ich habe diesen Lavendelgeruch nämlich noch woanders wahrgenommen: Hier auf dem Revier, in diesem Raum, kurz nachdem Frau Kalbe hier befragt wurde.“ Sie ließ die Aussage im Raum stehen und wartete auf seine Reaktion.
Dieses Mal blieb er gelassen und antwortete: „Es wird ihr mit Sicherheit an meiner Frau aufgefallen sein, sodass sie sich den gleichen Duft zugelegt hat.“
„Noch so eine plausible Erklärung“, kommentierte sie die Aussage, ohne das weiter auszuführen.
„Das könnte daran liegen, dass ich die Wahrheit sage.“
„Ich glaube eher, dass Sie sehr klug sind und sich genau überlegen, was Sie sagen. Darum habe ich auch nicht damit gerechnet, dass die Spurensicherung das Geld in Ihrem Haus findet. Glücklicherweise geht es nicht immer nur um die Dinge, die man findet, sondern auch um die, die man nicht findet. Und wissen Sie, was nicht gefunden wurde? Ein Parfüm mit Lavendelgeruch. Allgemein fand man bei den Sachen Ihrer Frau nur wenig Kosmetika und Parfüms. Ich frage Sie also noch einmal: War Frau Kalbe gestern bei Ihnen?“
„Ähm … Achso … Ja. Das hatte ich schon wieder ganz vergessen. … Frau Kalbe war gestern kurz da, um mir ihr aufrichtiges Beileid kundzutun“, stammelte er.
„Ach. Das erklärt den Besuch natürlich. Und Sie kannten sie sonst nur über die kurzen Besuche am Stand Ihrer Frau?“
„Das sagte ich Ihnen doch gestern schon.“
„Stimmt. Da nannten Sie sie allerdings Vera. Ungewöhnlich, jemanden beim Vornamen zu nennen, den man kaum kennt, finden Sie nicht? Ich sage Ihnen, was ich denke: Sie und Frau Kalbe hatten eine Affäre. Das ist zwar moralisch fragwürdig, aber noch lange keine Straftat. Doch ein gutes Motiv ist es schon. Zumal Ihre Lüge Sie natürlich zusätzlich belastet.“
Elke konnte die Wirkung ihrer Worte deutlich sehen. Zum ersten Mal wurde Meise sichtlich nervös. Ihn über Nacht in der Zelle zu lassen war eine gute Idee von Beck gewesen.
Vollkommen übermüdet und verunsichert fiel es den Menschen schwerer glaubhaft zu lügen. Meise hatte den Kopf in den Händen vergraben.
„Ja es stimmt, wir hatten ein Verhältnis. Darum habe ich meine Frau aber noch lange nicht umgebracht!“, erwiderte er trotzig.
„Natürlich nicht. Wie erklären Sie denn das hier?“ Elke öffnete die Mappe, die vor ihr lag, holte einen Klarsichtbeutel der Spurensicherung hervor und schob ihn zu Herrn Meise hinüber. Der betrachtete die Karteikarte in dem Beutel einen Moment und sackte dann in sich zusammen.
„Sie sind wirklich ein schlaues Kerlchen. Haben an alles gedacht und sich ordentlich vorbereitet. Ihre Antworten waren immer gut, nur leider zu gut. Sich vorher mögliche Gesprächsverläufe überlegen und notieren, ich bin beeindruckt. ‚Ja, wir waren glücklich. Sicher, hatten wir hin und wieder Streit, aber der gehört wohl dazu. – kleine Probleme zugeben – betonen, dass alles gut und normal war’“, las sie vor.
„Haben Sie auf diese Frage auch eine Antwort: Wieso studiert der Ehemann der Verstorbenen das Verhör mit der Polizei ein, wenn er nicht selbst der Mörder ist?“ Erwartungsvoll sah Elke Herrn Meise an.
Dieser schüttelte nur den Kopf: „Sie haben gewonnen, ich gestehe. Das sollte alles ganz anders laufen. Es sollte aussehen wie ein gewöhnlicher Raubüberfall. Vielleicht hätten Sie sogar den Rüpel Maler dranbekommen. Ich wollte Vera und mir nur ein schönes Leben ermöglichen, ohne eine grässliche Scheidung. Vera hätte den Laden übernommen und niemand wäre je dahintergekommen. Nur wegen Veras dummen Parfüm sind wir aufgeflogen. So oft habe ich ihr gesagt, dass sie viel zu viel davon aufträgt …“
Kopfschüttelnd verkündete Beck: „Herr Meise, ich verhafte Sie wegen des Mordes an Ihrer Frau Tanja Meise…“ Er las ihm die Rechte vor, doch Elke hörte gar nicht mehr hin. Sie war zufrieden mit sich und dem Fall. Jetzt freute Sie sich auf einen schönen heißen Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt heute Abend. Nur schade, dass es wohl dieses Jahr keine Spekulatius mehr geben würde …
Pendragon
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Da lag ich fast richtig!
Schöner Krimi! Der hat mir (als „alte“ Herforderin) sehr gut gefallen.