Eine Große Ehre für Autorin und Verlag: Sandra Brökel durfte im Prager Literaturhaus lesen. Ihre Eindrücke schildert sie in einem Bericht, der zeigt, wie besonders die Lesung in Prag war, aber auch, dass „Das hungrige Krokodil“ die Aufmerksamkeit zurecht bekommt.
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Max Brod veröffentlichte nach dem Tod von Franz Kafka dessen Schriften und machte ihn damit weltberühmt. Seine und viele andere Bücher der Weltliteratur haben im ehrwürdigen „Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren“ einen festen Platz in einer kleinen, aber erlesenen Bibliothek. Dort finden sich nur die Namen von großartigen Autoren, die in deutscher Sprache schrieben und eine enge Verbindung zu Prag oder Böhmen hatten. Nun reiht sich der Pendragon Verlag mit „Das hungrige Krokodil“ dort ein. Zwei Leseexemplare des Romans sind am 5. Juni ins „Pražský literární dům autorů německého jazyka“, wie das Haus in Landessprache heißt, eingezogen.
Um ganz ehrlich zu sein, fühlte sich die Lesung im Literaturhaus ein paar Nummern zu groß für mich an. Es war ein unglaublich heißer und stickiger Tag in Prag. Seit Tagen beherrschte ein Hochsommer die Stadt, die fast still stand. „Sei stolz auf dich“, schrieb mir Šárka, eine Tschechin in meinem Alter, die mich über ihre Arbeit bei der Euroregion Elbe/Labe schon zu vielen Lesungen im Grenzgebiet begleitete. „Andere träumen davon, du darfst dort lesen!“
Eine wirklich Ehre, auf die die wissenschaftlichen Fakultät der Karlsuniversität Prag noch einen drauf setzte: Nach der Lesung waren alle Teilnehmer zu einem Umtrunk mit Essen geladen. Schon toll 😉
Insgesamt gebe ich zu, dass eine Lesung in Prag eine andere Hausnummer ist als in Deutschland. Hier ist der Roman und die berührende Entstehungsgeschichte eine Art Liebeserklärung an Prag und unser Nachbarland. Eine Einladung, etwas differenzierter auf Prag und seine Geschichte zu blicken und in die Historie einzutauchen. Denn Prag und Tschechien bieten mehr als billiges Bier, Karlsbrücke und Astronomische Uhr. In Deutschland sind die Menschen berührt und fasziniert. In Prag reißen bisweilen alte Wunden wieder auf. Die Niederschlagung des Prager Frühlings durch Sowjetpanzer ist auch nach über 50 Jahren noch nicht verdaut. „Das hungrige Krokodil“ mit seinen detailreichen Schilderungen der Ereignisse von 1968 hat hier durchaus Sprengstoff. Das war mir zuvor in dem Ausmaß nicht bewusst. Die Zuhörer, viele von ihnen Zeitzeugen, stecken noch voller Wut gegen die Niederschlagung ihrer Freiheit. Das Buch macht neugierig, wühlt aber auch auf. Spannend und herausfordernd für mich.
„Das hungrige Krokodil“ ist eine Metapher für das Böse, das überall lauern kann. Es hat keine Nationalität. Im Zweiten Weltkrieg war es deutsch, direkt danach bei den Vertreibungen tschechisch, später russisch. Pavel Vodák selbst nutzte diese Metapher in seinen Erinnerungen. Mittlerweile schlecht das „Krokodil“ wieder durch Europa. Wir alle sollten höllisch aufpassen, dass wir es nicht weiter füttern durch Nationalismus, Egoismus und Gier. Es ist aktueller, als mir lieb ist, es ist wirklich hungrig in diesen Zeiten!
Und darum dürfen sich alle auf das kommende Frühjahr freuen! Der Zusatzband, in dem es um die Entstehungsgeschichte des Buches und persönliche Erfahrungen geht, entsteht gerade. Wieder geschrieben im legendären Café Slavia in Prag. „Damit treten Sie in die Fußstapfen unserer Literaten“, wird mir nach der Lesung erklärt. Übrigens von zwei nicht ganz unbedeutenden Zuhörern: Von Professor Luboš Švec der Karlsuniversität und von František Černý. Letzterer ist inzwischen 88 Jahre alt, hatte sich trotz der Hitze auf den Weg ins Literaturhaus gemacht. Ein wunderbarer, kluger Mann. Er ist einer der letzten noch lebenden Freunde von Václav Havel, wurde nach 1989 durch Havel in die Regierung berufen, war später Diplomat in Berlin. Er wird´s wissen …
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- Zu Gast im Prager Literaturhaus - 25. Juni 2019
Bildquellen
- Lesung in Prag: Sandra Brökel
- Lesung in Prag 1: Sandra Brökel
- Lesung in Prag 2: Sandra Brökel
- Lesung in Prag 3: Sandra Brökel