Interview mit Verleger Günther Butkus

von Sabine Ibing
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Günther Butkus, geboren 1958, lebt in Bielefeld und führt dort den Verlag Pendragon.
Persönliche Veröffent­li­chun­gen: «Herzband:366 Gedichte über Liebe & Verlust», «Heute Nacht Morgen Du», «Gedichte» (1997), als Herausgeber: «Die Beatles und ich. 33 Autoren, Künstler und Musiker über ihr persönliches Verhältnis zu John, Paul, George & Ringo» (1995), «So wie du mir – 19 Variationen über die Judenbuche von Annette von Droste-Hülshoff» (2010), «Rätselhaftes Bielefeld – Die Verschwörung» (2010) und «Schöner Morden in Ostwestfalen-Lippe» (2011).

Seit der Verlags-Gründung 1981 hat der Verleger Günther Butkus seinen Verlag Pendragon immer weiter zum Erfolg geführt.

„Machen Sie es sich bequem. Wir bieten Ihnen spannende Unterhaltung. Krimis sind unsere Spezialität. Raffinierte Plots mit Finesse erzählt. Und da das Genre Kriminalliteratur so vielfältig ist, können wir Ihnen immer wieder etwas Neues servieren. Entdecken Sie eine neue Welt, die zwischen zwei Buchdeckeln steckt.“

So lädt uns der Pendragon Verlag ein. Deutsche Krimi Preise und auch der eine oder andere Glauser stehen in den Vitrinen der Autoren, wie beispielsweise bei Mechtild Borrmann, Frank Göhre, Rainer Gross oder D.B. Blettenberg, Andreas Kollender, Kerstin Ehmer.

S. I.: Du selbst hast einen Lyrikband geschrieben, mit diesem Genre im Verlag begonnen. Wie kam es, dass du hinüber in die Kriminalliteratur gesprungen bist? Pendragon – Artussage – das klingt im ersten Moment nach Fantasie.

G. B.: Angefangen hat alles mit dem Band «Gedichte», der in einer Miniauflage im März 1981 erschienen ist. Da gab es den Verlag noch gar nicht. «Verlegt im Selbstverlag» hatte ich wenig Lust in und auf das Buch zu schreiben. Und intuitiv hab ich mich für Pendragon entschieden. Den Verlag habe ich erst im Oktober 1981 gegründet, aber kurz nachdem mein schmaler Band unter Pendragon erscheinen war, trudelten die ersten Manuskripte ein. Damals, zu Zeiten von «Nebel von Avalon», bekam ich tatsächlich viele Fantasy-Manuskripte, aber irgendwann war dann klar, dass das nicht die Ausrichtung von Pendragon ist.

S. I.: Warum Crime, keine anderes Genre, bzw. nur in Ausnahmefällen?

G. B.: Ein Verlag muss wandlungsfähig bleiben und ich suche immer neue Herausforderungen. So gab es einen Übergang von Literatur zu Kriminalliteratur und seit einiger Zeit kommt jetzt verstärkt die Literatur wieder dazu. Im August 2019 erscheint der überaus lesenswerte und kluge Roman «Noch alle Zeit» von Alexander Häusser. Was mich an Kriminalromanen reizt ist, dass man mit der Sprache der Literatur viele Themen aufgreifen kann, die sich im normalen Roman vielleicht schwerer tun würden. Ganz besonders, weil mich die jüngere deutsche Geschichte interessiert und der Leser in einem guten Kriminalroman sehr viel über Geschichte erfahren kann, als Geschichte in der Geschichte, und er muss dafür kein Geschichtsbuch lesen. Dies ist Mechthild Borrmann mit «Wer das Schweigen bricht» ebenso gut gelungen wie Andreas Kollender mit «Kolbe» oder D.B. Blettenberg mit «Falken jagen».

S. I.: Du warst 23 Jahre alt, als du den Verlag gegründet hast. Was war die Intention? War das alles so geplant?

G. B.: Ich habe mich bei Autoren schon immer sehr für deren Frühwerk interessiert und so kam es, dass ich mir viele Erstlingswerke besorgt habe und feststellen musste, die Verlage kannte ich gar nicht. Es waren Veröffentlichungen der Palmen Presse in Köln oder vom Maro Verlag in Augsburg, der schon seit 50 Jahre besteht und tolle Bücher macht. Respekt! Ich bin auch viel zu Lesungen gegangen und es ergaben sich freundschaftliche Kontakte zu den Autoren. Einige meiner ersten Titel waren wiederaufgelegte Frühwerke von Günter Wallraff und F.C. Delius.

S. I.: Freie Verlage haben es nicht einfach auf dem Markt. Und du und dein Team, ihr schafft es immer wieder, den ein oder anderen Preis einzuheimsen – auch den begehrten Glauser-Preis. Gibt es einen Roman aus dem Pendragon Verlag, der verfilmt wurde?

G. B.: Das ZDF hat zwei Romane von Thomas Bogenberger und einen von Roland Voggenauer verfilmt. Von einigen Bücher gibt es Hörspielproduktionen und zudem sind auch etliche Bücher als Lizenzen im Ausland erschienen, wobei «Kolbe» von Andreas Kollender unter dem Titel «The Honest Spy» in den USA ein regelrechter Bestseller war.

S. I.: Günther, du bist ein passionierter Kaffee-Trinker und Uhrensammler. Wie tickst du, wenn du ein Exposé vor dir liegen hast, eine Leseprobe. Was zieht dich in den Bann, wann willst du das ganze Manuskript lesen?

G. B.: Ich reagiere bei jedem Manuskript wie jeder andere Leser auch. Zieht mich die Sprache des Autors vom ersten Satz in den Bann? Schafft er eine Stimmung, eine Siuation, bietet er mir glaubwürdige Charaktere an, die mich sofort in die Geschichte, in das Buch hineinziehen und bin ich später traurig, wenn ich die Gechichte zuende ist, weil ich gerne noch mehr Zeit mit den Figuren verbracht hätte?

S. I.: Wie oft legst du ein Manuskript dann doch zur Seite, weil es nicht hielt, was das Exposé versprach? Und woran hapert es in diesem Fall?

G. B.: Die Bücher, mit denen ich mich genauer beschäftigen will, nehme ich mit nach Hause, denn während der Arbeitszeit habe ich leider keine Zeit, um Manuskripte zu prüfen. Und es kann tatsächlich vorkommen, dass ich ein Manuskript komplett gelesen habe und nachher enttäuscht bin, weil ich etwas anderes erwartet, erhofft hatte, aber jeder Lektor und jeder Verleger hat eine subjektive Handschrift. Ich kann nur die Bücher mit Herz und Seele machen und nach Außen vertreten, hinter denen ich zu 100% stehen kann. Objektiv ist der Auswahlprozess nicht und die Stoffe müssen in die Linie des Verlages passen.

S. I.: Man sagt, ohne Agenten hat man als Autor heute keine Chance mehr. Nun ist es aber so, dass man eher einen Verlag findet, als einen guten Agenten. Bieten die Agenten die besseren Manuskripte an, oder ziehst du sie eher aus den direkten Einsendungen?

G. B.: Bei Titeln, die ich übersetze, muss ich die Rechte in der Regel von einer Agentur einkaufen. Andererseits haben fast alle Autoren, mit denen ich zusammenarbeite, mittlerweile einen Agenten. Die Situation ist also nicht ganz objektiv. Ich habe aber generell keine Vorbehalte gegen Manuskripte, die ich direkt von den Autoren bekomme. Wenn ich aber gut mit einer Agentur zusammenarbeite, wenn ich weiß, die Titel, die mir diese Agentur schickt, haben Format und passen gut zu Pendragon, dann steigt die Chance, dass daraus auch Bücher bei mir werden.

S. I.: Shaft war mein erster Autor bei Pendragon und mich hat bisher noch kein einziges Buch von euch enttäuscht. Wie schafft man es, so hohe Qualität zu halten? Ich bin bei vielen Publikumsverlagen heute enttäuscht, wie viele Krimis und Thriller sie heute herausbringen, die handwerklich nicht stimmen. Inhalt ist ja Geschmack.

G. B.: Für mich geht es bei jedem Buch um ein Zusammenspiel von Geschichte, Sprache, Handlung und Glaubwürdigkeit. Natürlich kann es mal ein gewisses Ungleichgewicht zwischen Qualität der Sprache und der Geschichte geben, aber die Schere darf nicht so weit auseinandergehen. Ich möchte zeitlos gute Bücher verlegen.

S. I.: Du springst auch nicht auf jedes Pferd auf. Vielleicht ist es an mir vorübergegangen, aber ich kann mich weder an ein Hackebeilchenbuch erinnern, noch an eine Regio-Serie. Irgendwo muss ein Buch ja spielen, aber ich würde James Lee Burke nicht als New-Orleans-Regiokrimi bezeichnen. Gibt es Moden im Genre und welche macht du mit?

G. B.: Unser Verlagsprogramm ist sehr klein. Bei 12 Titeln im Jahr und einer erkennbaren Handschrift kann ich gar nicht alle Genres bedienen. Und es ist schon schwer genug die Titel zu finden, die gut zu uns passen könnten.

S. I.: Ich bin dir sehr dankbar, dass du James Lee Burke herausbringst. Im Bereich Krimi mein Lieblingsautor. Wallace Stroby kann ich auch gut leiden. Wonach suchst du amerikanische Autoren aus?

G. B.: Ich habe auch ein Großteil des Werkes von Robert B. Parker auf deutsch verlegt, darunter eine neunbändige Reihe seiner sämtlichen Jesse-Stone-Krimis, die sehr erfolgreich mit Tom Selleck verfilmt wurden. Einzelne Folgen werden immer wiederholt, wobei Tom Selleck als Jese Stone auch wirklich ein Genuss ist. Burke, Stroby und Parker sind allesamt hervorragende Autoren, die sehr unverwechselbare Werke geschrieben und Figuren geschaffen haben. Das fasziniert mich sehr.

S. I.: Gibt es heikle Themen, an die du dich nicht heranwagen würdest? Krimi ist in seinem Ursprung sozialkritisch und politisch. Gibt es für dich Grenzen?

G. B.: Bücher, in denen Menschen auf widerliche Weise gequält werden, besonders Kinder, möchte ich weder lesen noch verlegen. Und politisch nichts, was rechtes Gedankengut enthält.

S. I.: Kleine freie Verlage sind oft das Sprungbrett, um bekannt zu werden, und manche Autoren verliert man an große Verlage, die mit besseren Umsatzzahlen und höhren Tantiemen locken. Ist das schmerzlich?

G. B.: Ja, das ist schmerzlich.

S. I.: Der Lektor erinnert den Schriftsteller immer daran, dass er nicht vollkommen ist. Sind Schriftsteller Mimosen?

G. B.: Das kann man so generell nicht sagen. Man sollte auch bedenken, in der Regel ist Schreiben ein einsames und schwieriges Geschäft. Ein Autor investiert viel Zeit, viel Kraft in sein Manuskript, muss dabei viel aushalten, wenn es nicht weitergeht, wenn eine Blockade droht, wenn die Fäden nicht zusammenkommen wollen. Da ist eine gewissen Empfindsamkeit mit seinem «Baby» nachvollziehbar, aber dennoch muss jeder Autor Profi genug sein, um im Austausch intensiv an seinem Manuskript zu arbeiten.

S. I.: Helmut Frielinghaus, der Größen wie Günter Grass lektorierte, schrieb an den Rand von Manuskripten gern Gemeinheiten wie: «Gnade! Warum hassen Sie Ihre Leser? Wer soll das lesen?» Kann heutzutage ein Lektor noch auf diese Art agieren?

G. B.: Oh doch, ich liefere mir öfters mit meinen Autoren solche Scharmützel, aber immer unter dem Vorzeichen, es geht um die Sache, es geht darum, ein gutes Buch noch besser zu machen.

S. I.: Zuletzt möchte ich natürlich wissen, auf welche neuen Bücher aus dem Pendragon Verlag wir uns dieses Jahr freuen dürfen?

G. B.: Von Kerstin Ehmer erscheint demnächst mit «Die schwarze Fee» die Fortsetzung von «Der weiße Affe». Auch der neue Roman ist in den 20er Jahren angesiedelt. Man muss bei Kerstin Ehmer wirklich nur einen Satz lesen und sofort öffnet sich eine Tür, durch die man als Leser geht und steht in einem kleinen Club mit Musik, Tanz und allem, was das legendäre Berlin geprägt hat. Marina Heib hat mit «Die Stille vor dem Sturm» einen eiskalten Thriller geschrieben. Ein Kammerspiel auf einem Segelboot. Menschen werden ermodert, niemand kann helfen und niemand kann mehr irgendwem trauen, weil niemand weiß, wer der Täter ist. Als deutsche Erstausgabe erscheint mit «Mein Name ist Robicheaux» wieder ein neuer Band von James Lee Burke. Es ist wie immer bei Burke: besser geht es einfach nicht. Aber mit «Noch alle Zeit» von AlexanderHäusser erscheint auch ein sehr schöner, feinsinniger Roman. Ein Roadmovie über die Suche nach Glück, der eine findet es eher, der andere später, aber wir haben «Noch alle Zeit»!

S. I.: Vielen Dank für das Interview.

(Das Interview erschien zuerst auf dem Blog von Sabine Ibing: https://literaturblog-sabine-ibing.blogspot.com/p/interview-mit-gunther-butkus-von-sabine.html)

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